Samstag, 26. August 2017

Erholung und Verwahrlosung, Vorzelte und Vorurteile - Wir benehmen uns wie Camper!


Auf den Kennzeichen, die vor den Spitzengardinen an den Heckscheiben ihrer Wohnwagen zu lesen sind, steht "Manfred und Uschi", manchmal auch "Puschel&Schnuffel" oder "Rügen1996". Sie tragen vorzugsweise Socken in Crocs, Gürteltaschen über ihren Achselshirts, Sonnenbrillen mit Nike-Haken am Bügel und winzig kleine Strohhüte, während sie sich den ganzen Urlaub immer nur von ihren Klappstühlen erheben, um dem Wohnwagennachbarn beim Grillen gut gemeinte Ratschläge zu erteilen, zum Gemeinschaftsbad am anderen Ende des vollbesetzten Platzes zu schlurfen oder ein weiteres Tetrapak Wein zu holen, das sie auf ihrem Tisch mit Wachstuchdecke vor dem Vorzelt platzieren. Mag sein, dass es Camper wie diese gibt. Wir haben bisher jedoch noch keinen Vertreter dieser berüchtigten Spezies getroffen.




Vielleicht liegt es an den Campingplätzen, die wir im Vorfeld sorgfältig anhand ihrer ADAC-Sterne und Bewertungen ausgewählt haben: Denn dort, wo wir bis jetzt mit unserer Emma Urlaub gemacht haben, haben wir in erster Linie zivilisierte Menschen getroffen - was wir von so manchem Vier-Sterne-Hotel auf Mallorca, Fuerteventura oder Rhodos von den weiteren Gästen und dem Personal nicht immer behaupten konnten. Merke: Selbst eine Louis-Vuitton-Handtasche sagt noch lange nichts darüber aus, ob und wie seine Besitzerin sich benimmt. Zumal sie falsch sein könnte. 


Die Parzellen des Hvidbjerg Strand Ferienparks in Dänemark

Sowohl am Wulfener Hals auf Fehmarn als auch am Hvidbjerg Strand in Dänemark zum Beispiel ging es an all den Tagen, die wir dort verbrachten, sauber und ruhig zu. Keine Prolls, keine Assis (bis auf einen einzigen "Quoten-Idioten", aber der fällt bei mehr als 1500 Stellplätzen nicht weiter ins Gewicht), aber auch keine Snobs mit Designer-Kulturbeutel: Viele freundliche Familien, familienfreundliche Rentner und sowohl senioren- als auch familienfreundliche Sportler, die einander höflich grüßten und sich dann wieder in ihre Parzelle zurückzogen. 


Unsere Emma macht Urlaub 

Die Stellplätze waren stets so groß, dass sie ausreichend Diskretionsabstand zu den Nachbarn boten, die eh meistens nicht da waren. Denn die meisten Campingplatz-Bewohner machten es wie wir: Sie holten sich täglich frische Brötchen beim platzeigenen Bäcker und verbrachten dann, nach dem Frühstück, den Tag am Strand, gingen zum Surfen, Paragliding, Minigolf oder anderen Aktivitäten außerhalb des Platzes.


Mini-Camper

Abends, beim Spülen, traf man schließlich den einen oder anderen weiteren Bewohner, wechselte vielleicht mal ein oder zwei Wörter miteinander, grillte für sich und seine Familie noch ein paar Würstchen und ging dann früh zu Bett, weil man am nächsten Tag fit fürs Outdoor-Programm sein wollte. Keine Gelage, kein Animationsterror, keine nächtliche Ruhestörung durch grölendes Partyvolk.


Der Hvidbjerg-Strand-Ferienpark in Blavand liegt direkt am Meer.

Ausgeruht starteten wir alle in den Tag, der keineswegs in einer Gemeinschaftsdusche begann. Auf den Campingplätzen, die wir uns aussuchen, gibt es stets mehrere Waschhäuser - viele von ihnen mit großzügigen, bunten Familienbädern. Die kann man aufsuchen, muss man aber nicht, wenn einem das eigene Mini-Bad im Wohnwagen reicht. Ich ziehe die geräumigen Duschkabinen in den Sanitärhäusern vor, die mit ihren gemauerten Wänden mehr Duschraum sind als Kabine. Sie sind abschließbar - genau wie die Waschräume mit Waschbecken, die man ebenfalls (in der Regel) allein benutzt. Und sie sind (in der Regel) sauber: Ich habe bisher zum Beispiel noch keine Haare, Nägel oder andere Rückstände von den vorherigen Benutzern in den Bädern gefunden - ich habe aber auch nicht mit der Lupe danach gesucht.


Eines der vielen Waschhäuser im Hvidbjerg-Strand-Ferienpark in Dänemark.

An die stillschweigende Übereinkunft, dass man das Bad, die Geschirrspülbecken und zum Beispiel den Wäscheraum so verlässt, wie man ihn selbst vorfinden möchte, haben sich (in der Regel) die Camper bisher gehalten, die mit uns die Plätze bewohnten. 


Unter freiem Himmel macht das Geschirrspülen wenigstens ansatzweise Spaß. 

In Sneakers oder Flip Flops, Shorts oder Jeans, Fleecepullis oder Softshell-Jacken bewegten wir uns über den Campingplatz, der seinen Ruf, entweder spießig oder schmuddelig zu sein und ausschließlich Proleten zu beherbergen, nun wirklich nicht (mehr) verdient hat. Es sind vielmehr Ferienparks, in denen jeder mit seinem eigenen Apartment auf Rädern anreist, um einen entspannten, wohltuenden Urlaub zu genießen.


Die hübschen Fischerhütten liegen direkt neben den Wohnwagenstellplätzen am Teich des Hvidbjerg-Strand-Ferienparks in Blavand. 

Von wegen "Camping ist der Zustand, in dem man die eigene Verwahrlosung als Erholung bezeichnet": Gehengelassen - auch optisch - hat sich so gut wie niemand, der uns hier begegnete.  Keine Gürteltaschen, Unterhemden oder in den 1980er-Jahren stehengebliebene Vokuhilas. Bis auf einen Mann, den ich zweimal mit Socken in Crocs ertappte und der sich bei näherem Hinsehen als meiner entpuppte. Schnuffel, setz bitte die Sonnenbrille ab. Ich hol uns mal ein neues Tetrapak Wein. Wir müssen reden.


Nie mehr fremde Betten!
Herzliche Grüße,
Sarah

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