Samstag, 15. Juli 2017

Empathie (oder wie das heißt): Die Kunst, echte Herzchen zu verteilen

"Mama, ich habe grad drei Wespen, einer Assel und zwei Ohrenkneifern das Leben gerettet", verkündet die Zaubermaus, während sie mit klitschnassem T-Shirt und einem Kescher in der Hand zu mir auf die Terrasse kommt. Seit eineinhalb Stunden hat sie versucht, möglichst viele zappelnde Insekten aus unserem Planschbecken zu fischen. "Nur die Hummel, die hat sich schon nicht mehr bewegt. Die ist ertrunken", sagt meine kleine Große, schiebt die Unterlippe vor und bricht auf meinem Schoß in Tränen aus. Und ich bin (mal wieder) kurz davor, gleich mit zu heulen. Weil die Hummel keine Chance mehr hatte und vermutlich eine ganze Hummelfamilie hinterlässt, weil das Leben endlich ist - und weil ich traurig bin, wenn die Mäuse ernsthaft traurig sind (gilt nicht bei Krokodilstränen).




"Ähmpatie" - so nennt man das. Dass dieses Wort falsch geschrieben ist, fällt vermutlich all jenen gar nicht weiter auf, für die Empathie sowieso immer ein Fremdwort bleiben wird. Für die, die es bisher nicht wussten und nun googeln müssten, fasse ich an dieser Stelle kurz den Wikipedia-Eintrag zusammen: Empathie ist die Fähigkeit und Bereitschaft, die Empfindungen, Gedanken, Emotionen sowie unter anderem Persönlichkeitsmerkmale eines anderen Menschen zu erkennen und zu verstehen. Dazu gehöre auch, auf die Gefühle anderer angemessen zu reagieren: sich mitzufreuen, mitzuleiden, mitzutrauern - mitzufühlen.




Das klappt bei vielen Erwachsenen schon ganz gut, wenn sie auf Facebook Videos mitleidig mit einem weinenden Smiley kommentieren, in denen sich ein Hund irgendwo in Philadelphia oder so die Pfote klemmt. Oder wenn wir - ja, auch ich - auf Instagram Herzchen für besonders schöne Outfits verteilen, weil wir uns mit den glücklichen Käufern in Saint-Tropez oder zum Beispiel Beverly Hills freuen. Das mit der Empathie funktioniert im persönlichen Kontakt mit Menschen vor der eigenen Haustür (manchmal auch dahinter) hingegen nicht immer - vor allem (obwohl das doch eigentlich selbstverständlich sein sollte) im Umgang mit Kindern.





Es gibt Kinder, die etwas zurückhaltender sind, es gibt Kinder, die voll draufzugehen. Die einen fühlen sich allein mitunter noch etwas schwach, andere fühlen sich allein schon stark - und wieder andere können nur in ihrer Gruppe stark sein. Sie alle sind schon im Kindergarten kleine Persönlichkeiten, in die wir uns mit der notwendigen Sensibilität hineinversetzen müssen, um sie zu verstehen. Dafür sollten wir uns Zeit nehmen, sie in ihrer Entwicklung beobachten, ihnen in Ruhe zuhören und bei Bedarf helfen.
Wenn wir hören, dass grad mal vier-, fünf-, und sechsjährige Knirpse von Gleichaltrigen heftig gehauen, geschubst, getreten, gewürgt oder gebissen wurden, könnten wir

a) die Betroffenen (Achtung: damit sind die gemeint, denen wehgetan wurde) trösten, in den Arm nehmen, mit ihnen etwas Schönes unternehmen,
b) die, die anderen wehgetan haben, trösten, in den Arm nehmen, mit ihnen etwas Schönes unternehmen,
c) sämtliche Vorfälle schulterzuckend ignorieren, in der Hoffnung, dass ganz schnell Gras darüber wächst und nicht noch mehr Kinder bzw. irgendwann die eigenen betroffen sein werden,
d) den Spieß umdrehen und die Schuld bei anderen suchen.

 


Man mag nicht glauben, wie viele Erwachsene selbst bei den simpelsten Einstiegsfragen - trotz Publikumsjoker - noch daneben liegen. Wikipedia liefert auch die logische Erklärung, warum die Frage, aus unserer Sicht, häufig falsch beantwortet wird: "Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung. Je offener eine Person für ihre eigenen Emotionen ist, desto besser kann sie auch die Gefühle anderer deuten." Na, bitte.
»In keiner Weise dürfen wir uns dazu bewegen lassen, die Stimme der Menschlichkeit in uns zum Schweigen bringen zu wollen. Das Mitfühlen mit allen Geschöpfen ist es, was den Menschen erst wirklich zum Menschen macht.«                                                                                                                                           (Albert Schweitzer)
Öffnet Eure Herzen. Nehmt Euch mehr zu Herzen. Verteilt mehr Herzen: vor allem an die wirklich wichtigen Geschöpfe um Euch herum.

Heute mal besonders herzliche Grüße,
Sarah


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